1080 Kilometer in 19 Tagen
Mitte Juli bis Anfang August 2019
Trotz seiner Größe, kaum größer als Sachsen, und mit gerade einmal knapp über zwei Millionen Einwohnern, hat Slowenien einiges zu bieten. Neben der touristisch gut besuchten Bergwelt, den Flüssen und Seen im Westen des Landes, lohnt sich auch ein Abstecher weiter nach Osten ins Weinanbaugebiet Posavje.
Tipps und Tricks
Der Duft von frischem Strudel dringt fast unaufhörlich aus den Küchen der Berghütten. Es gibt sie in allen möglichen Varianten, zum Beispiel gefüllt mit Äpfeln, Heidelbeeren oder Nüssen. Wer kann da schon standhaft bleiben?
Von der Kleinstadt bis in die Metropole
Auf nach Bled. Oder lieber doch nicht? Wir sind wohl nicht die einzigen mit der Idee den Ort mit der Insel inmitten des Sees zu besuchen. Und so quälen wir unseren Bären im Schritttempo inmitten einer kilometerlangen Auto-Karawane, vorbei an überfüllten Parkplätzen, am Rande des Sees entlang. Und entscheiden schnell: wir begnügen uns mit der Aussicht aus dem Seitenfenster. Ersatz ist schnell gefunden: zurück in die Natur!
Selbstverständlich wollen wir Sloweniens Hauptstadt Ljubljana nicht auslassen. Mit etwas mehr als 200.000 Einwohnern ist sie recht gemütlich. Hier lässt es sich wunderbar durch die Gassen flanieren, Plečniks Architektur bewundern, in den Markthallen Käse probieren oder in einem der vielen Cafés entlang der Ljubljanica entspannen und Leute beobachten. Informatives, aber auch Skurriles zur Stadtgeschichte gibts auf der gut gemachten Free Walking Tour, angefangen vom angeblich entlaufenen Bären, der tagelang gejagt wurde oder dem Grund, warum man seine Bücher besser nicht pünktlich in die Bibliothek zurückbringen sollte (es könnte ein Flugzeug vom Himmel genau in die Bibliothek stürzen, wie hier in Ljubljana im zweiten Weltkrieg geschehen). Unser Tourguide Helena liebt ihre Stadt, die die Bewohner frei mit „die Geliebte“ übersetzen, und das merkt man während der Tour durch und durch.
Ptuj, oder auf deutsch Pettau, im Osten Sloweniens erreichen wir pünktlich zum Stadtfest. Barocke Häuserfronten zieren die Straßen der Stadt. Ganz oben auf dem Hügel thront das Schloss, das besonders von der anderen Seite des Flusses schön anzusehen ist. Die Gegend eignet sich mit ihren vielen Thermalbädern außerdem wunderbar, um mal einen ordentlichen Waschtag nach all den provisorischen Camperduschen und eiskalten Flussbädern einzulegen.
Abenteuer Natur
Wie für viele andere Reisende auch ist Bovec im grünen Soča Tal unser erstes Ziel. Auf unserem Campingplatz sorgt ein patrouillierendes John Rambo Double in seinen besten Jahren auf einem Quad für Ordnung. Als Ausgangspunkt für Wanderungen entlang der Soča ist der Platz perfekt geeignet. Und so geht es, teils etwas abseits des eigentlichen Soča-Trails (danke an unsere Navi-App!) entlang des smaragdgrünen Flusses über Stock und Stein aufwärts.
Neben einer weiteren Wanderungen am Ende der Kanin-Seilbahn, bei der wir mit den Gämsen durch die graue steinige Bergwelt um die Wette klettern, gibt es für uns noch ein ganz besonderes Highlight: unsere Packrafts kommen ein paar Kilometer weiter südlich bei Trnovo und Tolmin endlich zum Einsatz. Und diesmal nicht als entspannte Kaffeefahrt auf stehendem Gewässer. Im Vergleich zum Leipziger Seenland ist das Paddeln auf dem Fluss um einiges actionreicher. Nach einer Einführungstour mit Guide unternehmen wir, gepackt vom Packraft-Fieber, am nächsten Tag direkt noch eine weitere Tour auf der Soča auf eigene Faust. Mit Wildwasserstufe I und II zwar noch steigerungsfähig, aber perfekt zum Üben. Schöne Ausblicke auf die umgebenden Berge gibt’s inklusive. Zur Abkühlung nehmen wir am Tagesende die Low-Budget-Version eines Eises: ein eiskaltes Bad im Fluss.
Die folgenden Tage wollen wir erstmal etwas Höhenluft in den julischen Alpen schnuppern. Besser gesagt darf ich mein Geburtstagsgeschenk, eine mehrtägige Hüttenwanderung, einlösen. Wir hatten uns vorgenommen, den Triglav, Sloweniens höchsten Berg mit 2.864 Metern, zu erklimmen. Mit Sack und Pack (puh, schwerer als gedacht) und einer leichten Erkältung im Gepäck starten wir mit der Fähre über den Bohinjsee, um von Ukanc aus auf die Komna-Hütte zu wandern. Für den steilen dreistündigen Aufstieg auf 1.520 Meter werden wir mit einem tollen Ausblick auf den See belohnt. Für den ersten Tag reichts uns, wir verschlingen hastig Gulasch und Palatschinken von der netten Wirtin, und freuen uns auf unser Doppelstockbett. Tag 2 beginnt auf entspannten Wegen durch bunte Blumenwiesen, weiter bergauf an den sieben Seen (zugegeben, viel ist wegen der Sommerhitze nicht mehr von ihnen übrig) vorbei. In der Nähe des siebten Sees erreichen wir bereits gegen Mittag unser Tagesziel. Top fit und hoch motiviert beschließen wir, die Etappe noch bis zur nächsten Hütte zu verlängern. Hätten wir geahnt, dass der vor uns liegende Abschnitt fast ausschließlich über steile Geröllhänge führt, hätten wir vielleicht doch lieber die qualmenden Füße bei einem eiskalten Radler ausgestreckt. Endlich an der Dolič-Hütte angekommen, wollen wir nur noch eins: Ausruhen. Im zugeteilten Zimmer erwartet uns dann schon ein schnarchender Bettnachbar. Die Ohrstöpsel warten selbstverständlich in sicherer Entfernung in unserem Bus auf unsere Rückkehr. Also Augen zu und durch.
Leicht gequält machen wir uns am nächsten Morgen kurz nach 6 Uhr auf den Weg. Zu meiner Freude über noch mehr Geröll! Immer wieder auf und ab. Lediglich die fantastische Aussicht auf die umliegenden Berge und die sattgrünen Täler entlohnen uns für unsere Mühen. Gegen 10 Uhr erreichen wir unser vorläufiges Ziel, das Triglav Haus. Aus der ersehnten Frühstückspause wird wegen des angekündigten Regens leider nichts. Nach kurzer Überlegung und zumindest einer heißen Schokolade entscheiden wir uns für den direkten Aufstieg, bevor uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen kann. Über Felsen, entlang von Seilen und Eisentritten kommen wir dem Gipfel des Triglav immer näher. Oben angekommen erwartet uns, wie schon zuvor in der Schweiz: Nebel! Nichtsdestotrotz können wir immer mal wieder kurze Ausblicke auf die Umgebung erhaschen und sind mächtig stolz auf unseren ersten gemeinsamen Gipfel. Von nun an wandern wir nur noch steil taleinwärts. Auf der Vodnik-Hütte angekommen, fordert uns der Hüttenwirt forsch auf, gefälligst mit ihm Deutsch statt Englisch zu sprechen. Wir werden über den exakten Zeitplan in Kenntnis gesetzt: 17 Uhr Zimmerbezug, 18:30 Uhr Antritt zur Nahrungsaufnahme. So muss sich wohl der erste Tag beim Militär anfühlen. Wir haben gemeinsam mit den erstaunlich vielen Leipzigern auf dieser Hütte so unseren Spaß, unseren „Feldwebel“ bei der Arbeit zu beobachten. Und so feiern wir bis es dunkel wird unseren Erfolg mit ein (oder zwei) Gläsern Rotwein. Dem Duft des Apfelstrudels, der von der Dame des Hauses, selbstverständlich unter strenger Aufsicht des Wirts, zubereitet wurde, kann ich natürlich nicht widerstehen. Bis zum Ende unserer Slowenien-Reise sollte es nicht der letzte gierig verschlungene Strudel bleiben.
Nach vier Wandertagen wieder im Tal angekommen, können wir es kaum erwarten, unsere Rucksäcke und die Wanderstiefel loszuwerden, um uns ausgiebig im Bohinjsee zu erfrischen. Für mich gabs noch einen Strudel und für Christian eine Dusche im plötzlich einsetzenden Sommerregen 🙂
Es geht wieder mal aufs Wasser: Tinas Rafting Camp liegt fernab großer Straßen direkt an der Sava. Als hätten wir’s gewusst, findet am nächsten Tag der Free-Water Day statt, um ein Zeichen gegen den Bau von Staudämmen in Slowenien zu setzen. Wir können’s kaum erwarten, unsere Rafts ein weiteres Mal aufzublasen. Gemeinsam mit Kajakfahrern und Raftingbooten paddeln wir in großer Runde flussabwärts. Am Ende der Tour erwartet uns schon Tinas Frau mit frisch gegrillten Cevapci.
Umgebung von Ljubljana: Nach zwei Tagen Stadtluft zieht es uns wieder ins Grüne, ins Dörfchen Bistra. Nur wenige Kilometer südlich der Hauptstadt verirren sich nur wenige Touristen hin. Dabei gibt es hier wunderbare Wasserfälle, Sumpfgebiete und Heidelbeerfarmen zu erkunden. Und nette und gesprächige Menschen, wie die Kassiererin im Tante Emma Laden, die uns stolz ihre Deutschkenntnisse präsentiert: „Ich bin Banana.“ Und wir können nur bestätigen: ja, das ist sie.
Auf unserem Weg nach Osten machen wir halt in Roglav. Durch einen dichten Nadelwald führt eine Wanderung zum Lovrenško barje. Das etwa 7000 Jahre alte Moor durchquert man auf extra angelegten, teil schon etwas morsch gewordenen Holzwegen. Der gerade einsetzende Nebel verleiht unserem Ausflug etwas gespenstisches.
Weinberge um Ptuj und Ormož: Von hier aus kann man Radtouren durch die kleinen Dörfer der Weinregion unternehmen. Natürlich gibt es unterwegs jede Menge Möglichkeiten zum Probieren. Typisch für die Gegend: Šipon. Die Franzosen sollen einst gesagt haben: „ça c‘est si bon.“ Und so erhielt die Rebe ihren Namen.
Auch die Lagune Ormož ist ein entspannter Abstecher. In mehreren Beobachtungsständen beobachten wir Büffel, Wasservögel und jede Menge Kleingetier.
Autokino
Die Soča, mit ihrer fast unecht wirkenden türkisblauen Farbe, durchfließt Slowenien von Nord nach Süd. Und so lohnt sich eine Fahrt durch das Tal mit den zu beiden Seiten aufragenden Bergen der julischen Alpen auf jeden Fall. Noch besser: Zeit zum Aussteigen einplanen. An die schönsten Stellen kommt man nämlich nur zu Fuß.
Schöner Schlafen
Entlang der Soča gibt es jede Menge Campingplätze. Frei stehen ist in dieser recht touristischen Gegend leider unmöglich. Am wohlsten fühlen wir uns auf dem Campingplatz in Trnovo und im Camp Gabrje kurz vor Tolmin, wo man die vielen Gleitschirmflieger beobachten kann. Beide Plätze liegen direkt am Fluss, sodass einem Sprung ins kühle Nass nichts im Wege steht.
Rafting Camp Tina, hier ist alles familiengeführt, was für eine entspannte Atmosphäre sorgt. Es liegt ebenfalls direkt am Fluss, diesmal an der Sava, die deutlich weniger befahren ist als die Soča.
In Bistra gibt es, wie in anderen kleinen Ortschaften in Slowenien, einen offiziellen kostenfreien Stellplatz. Direkt daneben befindet sich ein Technikmuseum und mit dem Fahrrad ist man von hier aus schnell in der schönen Umgebung.
Mitten in den Weinbergen dürfen wir nach einer kleinen Verkostung vor einem Weingut in der Nähe von Svetinje nächtigen. Mit dem letzten Schluck Wein verschwindet gerade die orangefarbene Sonne hinter sattgrünen Hügeln.
Lach- und Sachgeschichten
In Bistra unweit von Ljubljana freuen wir uns über den schönen Sonnenuntergang hinter den weitläufigen Weideflächen. Ein großer Topf mit Spaghetti findet gerade den Weg in unsere Mägen. Als es wenig später satt und zufrieden ins Bett gehen sollte - es war inzwischen dunkel geworden - knirscht plötzlich etwas unter meinem Schuh. Die Taschenlampe verrät schnell den Grund: um uns herum Hunderte von Nacktschnecken! Unermüdlich kriechen sie aufwärts, am Stuhl, an den Tischbeinen, an den Autoreifen. Mit Stock bewaffnet landen sie eine nach der anderen alle wieder im angrenzenden Feld. Von der Existenz eines ungebetenen Gastes erfahren wir allerdings erst am nächsten Morgen, und so durfte Schnecki im mollig warmen Bus direkt unter unserm Bett verbringen. Ein Glück, dass sie nicht noch weiter hoch kroch!
Erstellt am 03. Februar 2020